Grundlagen der Objektivauswahl

Grundlagen der Objektivauswahl und die Auswirkungen auf die Bildverarbeitung

Unter „industrieller Bildverarbeitung“ versteht man die softwaregestützte Bearbeitung von Bildern zum Zweck automatisierter Erkennung. Eine stabile Erkennung erfordert eines klaren Bildes. Dabei spielt die Objektivauswahl eine wichtige Rolle, da sie für den korrekten Bildausschnitt und Abstand von Kamera zum Objekt verantwortlich ist. In diesem Abschnitt werden die Grundlagen für die Auswahl des richtigen Objektivs vorgestellt.

Typisches Verfahren bei der Bildverarbeitung

Eine Bildverarbeitung besteht im Wesentlichen aus den folgenden vier Schritten:

  1. Erfassen eines Bildes
    Kameraverschluss öffnen und ein Bild erfassen.
  2. Übertragen der Bilddaten
    Die Bilddaten von der Kamera zum Steuergerät übertragen.
  3. Aufbereiten der Bilddaten
    Die Bilddaten aufbereiten, um deren Besonderheiten zu verstärken
  4. Bildverarbeitung: Mängel oder Abmessungen
    in den Bilddaten erfassen/messen
    Die Bilddaten verarbeiten und die Ergebnisse ausgeben oder an angeschlossene Systeme (Computer, SPS usw.) übertragen.

Ablaufdiagramm der Bildverarbeitung

Ablaufdiagramm der Bildverarbeitung

Viele Hersteller von Bildverarbeitungssystemen konzentrieren sich einseitig auf die Erläuterung von Schritt 3, „Verarbeiten der Bilddaten“, und unterstreichen in ihren Katalogen die Verarbeitungsfähigkeiten des Steuergeräts. Der 1. Schritt, das „Erfassen eines Bildes“, stellt jedoch den wichtigsten Aspekt für eine präzise und stabile Bildverarbeitung dar. Das A und O bei der Bildverarbeitung ist immer noch die richtige Auswahl von Kamera plus Objektiv sowie der Einsatz des optimalen Beleuchtungssystems. Dieser allgemeine Leitfaden zeigt, wie Sie durch Auswahl eines geeigneten Objektivs eine erfolgreiche Bilderfassung gewährleisten.

Erzeugen eines sehr scharfen BildesAnwendungsbeispiel: Erkennen von Fremdkörpern/Mängeln im Inneren eines Bechers

Welches der beiden Bilder ist beim Erkennen von Fremdkörpern/Mängeln im Inneren eines Bechers besser geeignet, um über den gesamten Prüfbereich auch kleine Mängel erkennen zu können?
Selbstverständlich das Bild rechts.
  • Bei einem tiefen Becher fällt es oft schwer, sowohl den oberen Rand als auch den Boden fokussiert zu bekommen.
  • Ein vom oberen Rand bis zum Boden des Bechers durchgehend scharfes Bild.

Es wird schwierig sein, die Mängel im Bild links stabil zu erkennen, selbst wenn ein leistungsstarkes Bildverarbeitungssystem verwendet wird. Mit dem richtigen Wissen ausgestattet, ist es ein leichtes, ein sehr scharfes Bild wie das Bild rechts zu erzeugen.

Zusammenfassung

Klare, scharfe Bilder sind das Wichtigste bei der Bildverarbeitung. Die folgenden drei Punkte sind maßgeblich für hochpräzise, stabile Prüfungen.

  • Ein möglichst großformatiges Bild des Messobjekts erfassen.
  • Das Bild scharfstellen.
  • Dafür sorgen, dass das Bild hell und scharf ist.

Grundlagen der Objektivauswahl

Objektivaufbau

Ein Kameraobjektiv besteht meist aus mehreren Linsen, einem Blendenring (für die Helligkeit und Tiefenschärfe) und einem Fokussierring (für die Bildschärfeeinstellung).

Der Bediener sollte den Blenden- und Fokussierring einstellen, indem er auf den Monitorbildschirm schaut und sich vergewissern, dass das Bild „hell und klar“ ist.

Blendenring/ Fokussierring

Blendenring

Fokussierring

*Bei der Auswahl eines Kameraobjektivs müssen unterschiedliche Punkte berücksichtigt werden, wie etwa Bildfeld, Brennweite, Schärfe und Verzeichnung. Der vorliegende Leitfaden konzentriert sich auf zwei Punkte, die für sämtliche Anwendungen wichtig sind, nämlich „Auswahl des passenden Objektivs für das gewünschte Bildfeld“ und „Erzeugen eines Bildes mit großer Tiefenschärfe“.

Brennweite und Bildfeld von Objektiven

Die Brennweite zählt zu den technischen Daten von Objektiven. Typische Objektive bei der Bildverarbeitung weisen Brennweiten von 8, 25 oder 50 mm auf. Aus dem für das Messobjekt erforderlichen Bildfeld und der Brennweite des Objektivs kann der Messabstand (MA) ermittelt werden.

MA und Bildfeld werden durch Brennweite und CCD-Größe festgelegt. Sofern KEIN Nahaufnahmering verwendet wird, gilt das folgende proportionale Verhältnis.

Messabstand : Bildfeld = Brennweite : CCD-Größe

Beispiel 1: Wenn die Brennweite 16 mm beträgt und die CCD-Größe 3,6 mm, dann sollte der Messabstand 200 mm betragen, um ein Bildfeld von 45 mm zu erzielen.

Erzeugen eines Bildes mit großer Tiefenschärfe (Bereich, innerhalb dessen ein Objektiv das Objekt scharfstellen kann)

  • Je kleiner die Brennweite, desto größer die Tiefenschärfe.
  • Je größer der Abstand vom Objektiv zum Messobjekt, desto größer die Tiefenschärfe.
    →Nahaufnahmeringe und Makroobjektive verringern die Tiefenschärfe.
  • Je kleiner die Blendenöffnung, desto größer die Tiefenschärfe.
    →Eine kleine Blendenöffnung und eine helle Beleuchtung ermöglichen müheloses Scharfstellen.
Bei kleiner Blendenöffnung (CA-LH25)
Bei großer Blendenöffnung (CA-LH25)

Prüfvorgang: Eine Kamera wird über eine Schräge montiert, wie auf der Abbildung gezeigt. Auf dieser Schräge befindet sich ein Maßstab. Mit Hilfe dieser Vorrichtung lassen sich Bilder zum Vergleichen der Blendenöffnungen erstellen.

Kontrastunterschiede aufgrund der Objektivleistung und Pixelgröße

Die Bilder rechts wurden mit dem hochauflösenden KEYENCE-Objektiv CA-LH16 und mit dem Standardobjektiv CV-L16 aufgenommen. Die Unterschiede bei der Bildqualität sind auf Material und Aufbau der Objektive zurückzuführen. Mit einem hochauflösenden Objektiv können konstrastreichere Bilder erzeugt werden.

Verwendete Objektive CA-LH16 und CV-L16
Messobjekt Kopierpapier
Bildfeld Fleckengröße: Circa 0,3 mm
CA-LH16
Hochauflösendes Objektiv
Hochauflösendes Objektiv
Defektpegel 54
Defektpegel 54
CV-L16
Standardobjektiv
Standardobjektiv
Defektpegel 38
Defektpegel 38
Vergleich zwischen einem 240.000-Pixel-CCD und einem 2-Millonen-Pixel-CCD-Element

Die Bilder zeigen zweimal das selbe Messobjekt, einmal mit der 240.000-Pixel-Kamera von KEYENCE aufgenommen und einmal mit der 2-Millionen-Pixel-Kamera, beide Male auf einem Computer vergrößert. Welches Bild zeigt die Zeichen deutlicher? Antwort: das Bild der 2-Millionen-Pixel-Kamera. Der Unterschied der Bildqualität wirkt sich bei der Verwendung von Bildverarbeitungstechnologie unmittelbar auf die Prüfgenauigkeit aus. Außerdem ist es wichtig, die zur Anwendung passende Kamera auszuwählen.

Vergleich vergrößerter Bilder

Herkömmliches Bild (240.000 Pixel) Bild mit 2.000.000 Pixel-CCD

Objektivverzeichnung

Was versteht man unter Verzeichnung?

Verzeichnung ist das Änderungsverhältnis zwischen der Mitte und den Randbereichen eines Bildes. Aufgrund der Aberration des Objektivs ist die Verzeichnung an den Bildrändern auffälliger. Es gibt zwei Arten von Verzeichnung: die tonnenförmige (bzw. negative) Verzeichnung und die kissenförmige (bzw. positive) Verzeichnung. Grundsätzlich gilt: je kleiner der Absolutwert der Verzeichnung, umso höher die Präzision des Objektivs. So sollten beispielsweise für Dimensionsmessungen unbedingt Objektive mit möglichst geringer Verzeichnung eingesetzt werden. Objektive mit langer Brennweite weisen in der Regel einer geringere Verzeichnung auf.

Tonnenförmige Verzeichnung
Kissenförmige Verzeichnung

Überblick über Grundlagen der Objektivauswahl

Hochwertige Bilder sind maßgeblich für die erfolgreiche Bildverarbeitung. Mit dem erforderlichen Grundlagenwissen bei der Objektivauswahl ist Folgendes gewährleistet:

  1. Das Mess-/Bildfeld in Bezug zum Messobjekt ist optimal.
  2. Das gesamte Bild lässt sich scharf stellen.
  3. Der Kontrast zwischen dem Messobjekt und dem Hintergrund ist optimal.

In unserer nächsten Ausgabe wird es um die „Beleuchtungsauswahl“ gehen. Neben den im vorliegenden Leitfaden erläuterten Verfahren zur Objektivauswahl ist die Beleuchtungsauswahl ein weiterer ausschlaggebender Faktor für die Prüfgenauigkeit beim Einsatz von Bildverarbeitungstechnologien. Im nächsten Leitfaden werden zentrale Punkte für die Auswahl einer geeigneten Beleuchtung dargelegt.