Das Spritzgießen von Kunststoff ist ein schwieriger Prozess, bei dem je nach den Anforderungen an die Formgebung und den Bedingungen der Werkstoff- und Additiveigenschaften qualitätsmindernde Formfehler auftreten können. Die Arten von Spritzgießfehlern und wie sie auftreten, können sehr unterschiedlich sein.
In diesem Abschnitt werden typische Spritzgießfehler und deren Ursachen erläutert. Darüber hinaus werden auch Anwendungsbeispiele des Digitalmikroskops von KEYENCE vorgestellt, das eine schnelle und genaue Betrachtung, Messung und Beurteilung ermöglicht und so zu einer raschen Identifizierung der Ursache und Korrekturmaßnahmen beiträgt.

Betrachtung, Analyse und Prüfung von Spritzgießfehlern und Formstoffen

Erfordernisse und Mängel von Spritzgussteilen

Vor dem Hintergrund des Bedarfs an leichteren Materialien werden Formteile aus Kunststoffen mit höherer Funktionalität und längerer Lebensdauer in verschiedenen Bereichen eingesetzt. In der Automobilindustrie ist es beispielsweise möglich, Energieeinsparungen durch eine Leichtbauweise zu erzielen, bei der einige zuvor aus Metall gefertigte Komponenten durch Spritzgussprodukte ersetzt wurden.
Andererseits wird die Qualität bei Spritzgussteilen durch verschiedene Faktoren beeinflusst, z. B. durch das Verhältnis und die Dispersion von Material- und Additivanteilen, die Schmelztemperatur des Kunststoffs, den Druck und die Abkühlzeit. Besonders beim Spritzgießen, einer typischen Methode zur Kunststoffumformung, muss auf die Form und den Schmelzdruck geachtet werden und es müssen Vorsichts- und Präventivmaßnahmen ergriffen werden, um Formtrennungsprobleme zu vermeiden, die zu Anlagenstillständen und Schäden an Formen führen können.

Typische Spritzgießfehler

Nachfolgend werden Beispiele für typische Formgebungsfehler (Verformungs- und Oberflächenfehler), die die Qualität von Spritzgussteilen beeinträchtigen, und die dafür verantwortlichen Einflussfaktoren aufgeführt.

Grat
Grat

Erscheinungsbild: Verformung, bei der geschmolzener Kunststoff außerhalb und entlang der Trennlinie der beiden Formhälften erstarrt.
Mögliche Ursachen: Hohe Einspritzleistung, unzureichende Formspannung, zu viel eingespritzter Kunststoff, Formverzug usw.

Einfallen
Einfallen

Erscheinungsbild: Verformung, die eine Delle in der Oberfläche eines Spritzgussteils darstellt. Sie wird auch als Einfallstelle bezeichnet.
Mögliche Ursachen: Durch die auftretende Schrumpfung, während der geschmolzene Kunststoff in der Form erstarrt, reicht das Kunststoffvolumen nicht aus, um die Form zu füllen, und es entsteht eine Delle. Wenn das Einfallen im Inneren des geformten Kunststoffs auftritt, wird es als Schwindungshohlraum bezeichnet.

Wölbung
Wölbung

Erscheinungsbild: Verformung, bei der sich das Formteil in eine Richtung verzieht.
Mögliche Ursachen: Verformung durch äußere Krafteinwirkung bei der Formtrennung (Formtrennfehler) oder unterschiedliche Schwindungsgeschwindigkeit aufgrund der Fließrichtung des geschmolzenen Kunststoffs in der Form.

Bindenaht
Bindenaht

Erscheinungsbild: Oberflächenfehler, bei dem sich die Nahtstelle, an der sich zwei Fließfronten des Schmelzflusses innerhalb der Form treffen, auf der Oberfläche als Rille oder Muster zeigt.
Mögliche Ursachen: Niedrige Temperatur oder Fließfähigkeit des geschmolzenen Kunststoffs beim Spritzgießen. Unzureichender Einspritzdruck und Geschwindigkeit können Bindenähte verursachen.

Fließlinie
Fließlinie

Erscheinungsbild: Oberflächendefekt, bei dem sich wellenförmige Schlieren wie eine Riffelung um den Anguss herum bilden.
Mögliche Ursachen: Niedrige Temperatur des eingespritzten geschmolzenen Kunststoffs oder langsame Einspritzgeschwindigkeit während des Spritzgießens, was zu einer geringen Fließfähigkeit des Kunststoffs in der Form führt. Die Schlieren entstehen durch Überlappung von Kunststoff in der Form mit nachfolgendem Kunststoff.

Rissbildung und Haarrisse
Rissbildung und Haarrisse
  • A. Riss
  • B. Haarrisse

Erscheinungsbild: Oberflächenfehler, bei denen Risse und Haarrisse (feine Risse und Linien) auftreten.
Mögliche Ursachen: Risse und Brüche können in Spritzgussteilen durch äußere oder innere Spannungen auftreten.

Aktuelle Beispiele für die Betrachtung und Prüfung von Spritzgussteilen, Formstoffen und Additiven

Da die bereits erwähnten Formgebungsfehler, das Eindringen von Blasen in die Kunststoffmaterialien und die Dispersion von Füllstoffen und anderen Additiven die Qualität erheblich beeinträchtigen, werden Spritzgussteile häufig mikroskopisch betrachtet und bewertet.

Die hochauflösenden Objektive, der 4K-CMOS-Sensor und das eigens entwickelte Messsystem sorgen bei der Modellreihe VHX nicht nur für eine präzise Betrachtung mit hochauflösenden Aufnahmen, sondern auch für eine quantitative Auswertung durch präzise 2D- und 3D-Messungen, eine automatische Flächenmessung sowie eine automatische Berichterstellung – ganz schnell und einfach mit nur einem System.
In diesem Abschnitt werden Anwendungsbeispiele der Modellreihe VHX zur Beurteilung von Spritzgussteilen, Materialien und Additiven vorgestellt.

Betrachtung von Bindenähten

Mit Ausnahme des mehrfarbigen Spritzgusses sind Spritzgussteile in der Regel einfarbig und haben daher einen geringen Kontrast, was die Betrachtung von Oberflächenfehlern erschwert. Besonders schwierig ist es, geeignete Beleuchtungsbedingungen für die Betrachtung von Bindenähten zu finden. Dabei handelt es sich um Rillen oder Muster, die durch eine schlechte Verschmelzung in der Bindenaht verursacht werden, wo Fließfronten des Schmelzflusses in der Spritzgussform aufeinandertreffen.

Das Digitalmikroskop der Modellreihe VHX verfügt über eine Multi-Lighting-Funktion, mit der unterschiedliche Beleuchtungsarten einfach per Knopfdruck automatisch erfasst werden. Aus diesen Daten kann dann eine geeignete Aufnahme zur Betrachtung ausgewählt werden.
Dadurch lassen sich schnelle und genaue Betrachtungen durchführen, was Zeit spart, die zuvor für das Herausfinden geeigneter Beleuchtungseinstellungen aufgewendet wurde.

Betrachtung von Bindenähten mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
Normal (100x)
Ohne Multi-Lighting (100x)
Multi-Lighting (100x)
Multi-Lighting (100x)

3D-Messung von Graten in Spritzgussteilen

Mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX können neben der Betrachtung mit hochauflösenden Aufnahmen auch präzise 3D-Formen im Submikrometerbereich und Profile von fehlerhaften Teilen gemessen werden.

Mit dem Digitalmikroskop von KEYENCE lassen sich quantitative Messungen und Prüfungen selbst an mikroskopisch kleinen Graten durchführen, die entstehen, wenn etwas geschmolzener Kunststoff aufgrund von Verformungen in der Form oder unzureichender Formschließkraft aus dem kleinen Spalt in der Gussnaht austritt. Die Erfassung von detaillierten 3D-Daten des fehlerhaften Teils kann ebenso zur schnellen Ursachenidentifizierung beitragen, woraus sich vorbeugende Maßnahmen ableiten lassen.

3D-Messung und Profilmessung von Gussgraten mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
3D-Messung und 3D-Formdarstellung von Gussgrat (100x)
3D-Messung und 3D-Formdarstellung eines Gussgrats (100x)
Profilmessung von Gussgrat (100x)
Profilmessung eines Gussgrats (100x)
Profilmessung von mikroskopischem Grat in der Gussnaht (500x)
Profilmessung eines Grats in der Gussnaht (500x)

Betrachtung und automatische Messung der Füllstoffdispersion in Kunststoff

Füllstoffe und Additive werden verwendet, um die Funktionalität zu erhöhen und den entstandenen Kunststoffprodukten einen Mehrwert zu verleihen. Die gleichmäßige Dispersion von Füllstoff und anderen Additiven im Kunststoff ist eine Herausforderung beim Spritzgießen. Daher ist eine genaue Beurteilung durch Betrachtung und Messung der Füllstoffdispersion wichtig.

Das Digitalmikroskop der Modellreihe VHX ermöglicht die Betrachtung der Füllstoffdispersion mit hochauflösenden Aufnahmen auch bei hohen Vergrößerungen. Die betrachteten Aufnahmen können auch für eine präzise automatische Flächenmessung und Zählung verwendet werden und ermöglichen so eine nahtlose quantitative Beurteilung anhand der Betrachtung und Messung.
Durch die Installation von Excel und die Verwendung von Vorlagen können Anwender die Modellreihe VHX auch zur automatischen Berichterstellung anhand von erfassten Bildern und Messwerten verwenden. Mit einem einzigen System, das eine Reihe von Aufgaben schnell und einfach erledigt, lässt sich die Effizienz der Bewertung von Füllstoffdispersionen deutlich verbessern.

Betrachtung und Messung der Füllstoffdispersion mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
Betrachtung der Füllstoffdispersion (1000x)
Betrachtung der Füllstoffdispersion (1000x)
Automatische Flächenmessung der Füllstoffdispersion (1000x)
Automatische Flächenmessung der Füllstoffdispersion (1000x)

Betrachtung von Kunststoffpartikeln

Dank der Tiefenzusammensetzung des Digitalmikroskops der Modellreihe VHX lassen sich selbst Objekte mit unebenen Oberflächen tiefenscharf betrachten. Die Funktion zur Optimierung von ringförmigen Reflexionen kann verwendet werden, um die ringförmigen Reflexionen für eine deutlichere Betrachtung von Kunststoffpartikeln und Blasen zu beseitigen.

Betrachtung von Kunststoffpartikeln mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
Normal (200x)
Ringbeleuchtung (200x)
Tiefenzusammensetzung + Optimierung von ringförmigen Reflexionen (200x)
Tiefenzusammensetzung + Optimierung von ringförmigen Reflexionen (200x)

Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil

Durch eine schnelle und genaue Analyse des Zustandes der Bruchfläche (Sprödigkeit, Duktilität, Scherung, Ermüdung, Kriechen usw.) können die Bruchursachen bei Spritzgussteilen identifiziert werden, um frühzeitig vorbeugende Maßnahmen und Verbesserungen einzuleiten.

Die hochauflösenden Objektive und der motorisierte Revolver des Digitalmikroskops der Modellreihe VHX ermöglichen eine nahtlose Zoomfunktion, die mit intuitiver Bedienung automatisch zwischen Objektiven mit Vergrößerungen von 20x bis 6000x wechselt. Auf diese Weise wird der sonst für den Objektivwechsel erforderliche Zeit- und Arbeitsaufwand eingespart und die hochauflösende Bildaufnahme verkürzt, wodurch eine genaue und effiziente Betrachtung und Analyse der Bruchfläche erreicht wird.

Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil (20x)
Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil (20x)
Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil (50x)
Betrachtung einer Bruchfläche an einem Spritzgussteil (50x)

Betrachtung aus der Schräge und Prüfung von Qualitätsmerkmalen von Komposit-Formteilen

Die Prüfung von Qualitätsmerkmalen eines Komposit-Formteils mit einer komplexen, dreidimensionalen Form, wie z. B. eines Steckverbinders für elektrische Fahrzeugteile, erfordert eine Betrachtung aus mehreren verschiedenen Winkeln.
Das System zur Betrachtung aus jedem beliebigen Winkel mit XYZ-motorisiertem Objekttisch des Digitalmikroskops der Modellreihe VHX ermöglicht diese Betrachtung aus mehreren verschiedenen Winkeln. Eine Betrachtung aus der Schräge ist möglich, ohne dass die Objektposition manuell eingestellt werden muss.

System zur Betrachtung aus jedem beliebigen Winkel mit XYZ-motorisiertem Objekttisch
System zur Betrachtung aus jedem beliebigen Winkel mit XYZ-motorisiertem Objekttisch

Mit den hochauflösenden Aufnahmen, die durch die hochauflösenden Objektive und den 4K-CMOS-Sensor der Modellreihe VHX erzeugt werden, können Einfallstellen, Fließlinien und andere kleine Mängel in Spritzgussteilen auch bei geringer Vergrößerung deutlich erfasst werden, wobei das Objekt auch bei geneigtem Objektiv vollständig im Sichtfeld bleibt.

Prüfung von Qualitätsmerkmalen von Spritzgussteilen mit dem Digitalmikroskop der Modellreihe VHX
Geringe Vergrößerung, Betrachtung eines Komposit-Formteils aus der Schräge (5x)

Ein benutzerfreundliches und hochauflösendes System, abgestimmt auf die Bedürfnisse der Anwender

KEYENCE hat seine Digitalmikroskope seit über 30 Jahren immer wieder weiterentwickelt und optimiert, um den Bedürfnissen seiner Kunden gerecht zu werden. Das Ergebnis dieses kontinuierlichen Optimierungs- und Entwicklungsprozesses ist das Digitalmikroskop der Modellreihe VHX.
Zusätzlich zu den hier vorgestellten Anwendungen verfügt das die Modellreihe VHX über viele weitere nützliche Funktionen, die Problemlösungen für den Einsatz vor Ort bieten können. Sämtliche Funktionen sind so gestaltet, dass unabhängig vom Kenntnisstand des Bedieners ein System zur Verfügung steht, das anspruchsvolle Betrachtungen und Prüfungen bei einfacher, intuitiver Bedienung ermöglicht.
Die große Vielfalt an Objektivtypen und Betrachtungsfunktionen unterstützt außerdem eine maßgeschneiderte Konfiguration für die verwendeten Objekte und Materialien.

Für weitere Informationen zur Modellreihe VHX klicken Sie bitte auf die unten angezeigte Schaltfläche, um die Broschüre herunterzuladen. Für Anfragen klicken Sie bitte auf die entsprechende Schaltfläche, um KEYENCE zu kontaktieren.